„SPÄT“-GIALLI AUF DVD UND BLU-RAY (TEIL 1): DAS HAUS DER VERFLUCHTEN [MEDIABOOK]

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„SPÄT“-GIALLI AUF

DVD UND BLU-RAY

(TEIL 1)

 

 

DAS HAUS DER VERFLUCHTEN

[CASA MALEDETTA, 1985]

A.K.A.

DAS HAUS AM HYDENPARK

A.K.A.

FORMULA FOR A MURDER

 

 

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1985 drehte Regisseur Alberto de Martino einen späten Giallo, der mich in den ’80ern nicht überzeugen konnte. Doch wenn ich mir DAS HAUS DER VERFLUCHTEN heute restauriert auf Blu-Ray anschaue, komme ich zu dem überraschenden Ergebnis, daß de Martino ein wirklich ausgezeichneter Handwerker der alten (Kino-)Schule war. Schon damals dürfte sein Psychothriller bzw. „Spät“-Giallo leicht altmodisch gewirkt haben, was mich heute als Nostalgiker im Jahre 2014 umso mehr freut.

Gleich die Pre-Credit-Sequenz mit dem in schwarz gekleideten Sensenmann erinnert an die Glanzzeit des Giallo-Genres und Werke wie PROFONDO ROSSO von Dario Argento und THE CHILD von Aldo Lado. Letztendlich ist DAS HAUS DER VERFLUCHTEN aber in erster Linie eine Mischung aus Hitchcock-Elementen, Lucio Fulcis DER NEW YORK RIPPER (ebenfalls ein „Spät“-Giallo) und typischen Holde-Maid-in-Nöten-Krimis wie WARTE BIS ES DUNKEL IST, in denen ebenfalls Ladies mit physischen Handicaps im Zentrum des Geschehens standen. Nur eben im leicht modernisierten Gewand eines klassischen Giallos.

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NEUES FILMPROGRAMM schrieb damals (Achtung, Spoiler!): Die hübsche und reiche Joanna wurde in ihrer Kindheit von einem als Priester verkleideten Mann mißbraucht. Bei dem Versuch sich zu wehren stürzte sie die Treppe hinab und ist seitdem an den Rollstuhl gefesselt. Der Schock des erlebten sitzt noch so tief in ihr, daß jede Aufregung sie auch heute noch töten kann. Diesen Umstand wollten sich Joannas Freundin Ruth und ihr heimlicher Freund Craig zu Nutze machen.

Sie planen, daß Craig Joanna heiratet. Während der Flitterwochen soll Craig ihr als verkleideter Priester den tödlichen Schock versetzen, in dem er sie an ihr Kind-heitserlebnis erinnert. Nach der Hochzeit erfährt Craig, daß Joanna den Großteil ihres Vermögens (stimmt nicht, denn es handelt sich um die Hälfte) – gemäß dem letzten Wunsch ihres Vaters – der Kirche spenden will. Dadurch ist Craig gezwungen, zwei Priester umzubringen, die die Spende entgegennehmen wollten. Außerdem bekommt Craig ein neues Problem:

Er verliebt sich in Joanna und tötet Ruth, damit niemand von dem ursprünglichen Plan erfährt.

Joanna, die von der Verschwörung bisher nichts ahnte, ist verzweifelt, als sie die Leiche Ruths neben Craig entdeckt. Craig weiß, daß es jetzt nur noch einen Weg gibt, um all seine grausamen Taten zu vertuschen. Doch auch Joanna weiß das – und sie kämpft um ihr Leben (Spoiler Ende!)!

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Bei DAS HAUS DER VERFLUCHTEN ist es beinahe unmöglich, eine vernünftige Inhaltsangabe zu schreiben, ohne massive Spoiler zu benutzen, denn wie in Alfred Hitchcocks PSYCHO oder auch in Sergio Martinos DER SCHWANZ DES SKORPIONS kommt schon nach zirka 30 Minuten eine entscheidene Wendung, die man nicht wissen sollte, wenn man den Film noch nicht kennt. Deshalb nur so viel: Joanna wurde als Kind mißbraucht und sitzt seitdem im Rollstuhl. Ob sie physisch tatsächlich gelähmt ist oder ob die Ursache dafür auf das Trauma zurückzuführen ist, möchte ich nicht verraten. Als junge Frau lernt sie den charismatischen Craig (stets sympathisch: David Warbeck aus dem Zombie-Meisterwerk DIE GEISTERSTADT DER ZOMBIES) kennen und lieben. In der Zwischenzeit werden zwei Priester von einem unheimlichen Killer ins Jenseits befördert, die von Joanna eine große Spende entgegen nehmen wollten. Und was ist eigentlich mit Joannas bester Freundin Ruth (Carroll Blumenberg), die mit ihr in einem schönen Haus in Boston zusammenlebt???

Es ist echt erstaunlich, daß es dem italienischen Kino im Jahre 1985 noch möglich war, einen so edel fotografierten B-Film abzuliefern, denn in den mittleren ’80ern war die große Zeit des Giallo-Genres – und des italienischen Kinos im Allgemeinen –  leider schon sehr lange vorbei. Alberto de Martino ist ohnehin ein echtes Phänomen, denn alle Filme, die ich von ihm kenne, sind nicht nur extrem unterhaltsam, sondern leider zum großen Teil noch nicht auf DVD und Blu-Ray erschienen. Eine Ausnahme neben dem verfluchten Haus ist der fabelhafte Exorzisten-Schocker SCHWARZE MESSE DER DÄMONEN, den man ebenfalls als Mediabook bestellen kann. Doch sein handwerklich bester Film ist in meinen Augen DAS HAUS DER VERFLUCHTEN. Schade, daß er schon kurz nach den Dreharbeiten das Handtuch schmiß. Manche Experten behaupten jedoch, daß MIAMI GOLEM sein letztes Vermächtinis ist. Bleibt also jedenfalls zu hoffen, daß auch seine Trash-Perlen wie DER PUMAMANN bald auf DVD oder Blu-Ray erscheinen werden!

Im Gegensatz zu den Gialli der ’60er und ’70er Jahre konzentriert sich das äußerst spannende Drehbuch von DAS HAUS DER VERFLUCHTEN nicht auf die Psyche des Täters, sondern viel mehr auf die des Opfers Joanna. Ein weiterer Gegensatz ist, daß die Handlung in den Vereinigten Staaten (in diesem Falle Boston und New York) und eben nicht in Rom oder Turin spielt. Alberto de Martino muß sich damals vor allem auch mit DER NEW YORK RIPPER auseinander-gesetzt haben, denn viele Sequenzen (und vor allem die Musik von Francesco de Masi) erinnern doch sehr an Lucio Fulcis Kultklassiker des Splatterkinos – auch wenn die blutigen Effekte hier deutlich harmloser sind. Aber auf jeden Fall ist der Mordbube in DAS HAUS DER VERFLUCHTEN ein noch viel schlimmerer Schweinehund als der Täter in DER NEW YORK RIPPER, denn…

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Vor ein paar Monaten veröffentlichte das inzwischen beachtliche Label ’84 Alberto de Martinos DAS HAUS DER VERFLUCHTEN im Mediabook mit zwei Covern, die auf je 500 Exemplare limitiert wurden. Ich muß gestehen, daß ich beim Anblick von Cover A (siehe ganz oben) dachte, daß Telly Savalas wie zum Beispiel in FACELESS von Jess Franco eine Nebenrolle haben könnte. Schließlich hatte ich den Film zuletzt in den späten ’80ern gesehen. Doch von einem Telly Savalas ist weit und breit nichts zu sehen. Auch nicht von der flotten Blondine im roten Kleid. Da fragt man sich natürlich, was so ein Artwork eigentlich soll?!

Egal, denn die Bildqualität der Blu-Ray ist absolut gelungen. Das Bild (1080i und in 2, 35 : 1) ist sehr sauber und glänzt mit satten, lebhaften Farben, einer hohen Schärfe und dem grandiosen Breitwand-Format, das de Martino und sein Kameramann Gianlorenzo Battaglia in vielen Szenen (zum Beispiel bei den beiden Morden in der Kirche und vor der Skyline von Manhattan) auch elegant in Szene setzten. Der italienische Ton ist nicht berauschend, aber die deutsche Audiospur klingt exzellent für einen Film aus den ’80ern. Die Synchronsprecher kennt man als echter Nostalgiker wirklich alle. Sehr wohltuend auch, daß man es mit einer seriösen und keiner Kaspersynchro zu tun hat, wie es in den ’80ern oftmals vorkam.

Das interessanteste Bonusmaterial besteht ganz klar aus dem Booklet von Kai Naumann und dem extrem informativen Audiokommentar von Marcus Stiglegger, dem ich wirklich immer wieder gerne zuhöre!

Die Screenshots hier stammen von der DVD im Mediabook!

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Alles in Allem eine gelungene Veröffentlichung, die ’84 da präsentieren. Damit ist endlich auch diese Lücke in meiner Italo-Sammlung geschlossen. Und jetzt kann man gespannt sein, was ’84 mit SUSPIRIA anstellen, der im Oktober 2014 erscheinen soll…

 

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FILMQUALITÄT: 8 /10

BILDQUALITÄT: 8, 5 / 10

TON (DEUTSCH): 8 / 10

TON (ITALIENISCH): 7 / 10

BONUSMATERIAL: 7 / 10

 

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